In Deutschland leben, in Frankreich arbeiten: 12 Fragen und Antworten für Grenzgänger
Eine Stelle nahe der französischen Grenze annehmen, ohne einen Umzug nach Frankreich zu planen - dies kann zahlreiche praktische Fragen aufwerfen. Wir beantworten Ihnen hier die wichtigsten Fragen, die sich Menschen stellen, die vorhaben, in Deutschland in Grenznähe zu leben und im Nachbarland zu arbeiten.
1. GrenzgängerIn - Was ist das genau?
EinE GrenzgängerIn ist eine Person, die in Deutschland nahe an der französischen Grenze Ihren Wohnort hat und im Nachbarland arbeitet. Der/die GrenzgängerIn passiert regelmäßig die Grenze, um im Nachbarland zu arbeiten (bzw. zur Schule zu gehen).
Es erfolgt täglich bzw. mindestens einmal pro Woche eine Rückkehr an den Wohnort. Der Wohnort liegt maximal 20 Kilometer von der Grenze entfernt. Damit gilt er oder sie steuerrechtlich als GrenzgängerIn.
Auf Französisch spricht man bei einer Grenzgängerin oder einem Grenzgänger von frontalier, travailleur frontalier oder travailleur transfrontalier. Viele GrenzgängerInnen leben im Saarland, oder in Kehl nahe bei Straßburg.
2. Was ist der Unterschied zwischen GrenzgängerIn und GrenzpendlerIn?
EinE GrenzgängerIn hat den Wohnsitz in Deutschland und arbeitet im Nachbarland. EinE GrenzpendlerIn lebt im Nachbarland und pendelt für die berufliche Tätigkeit nach Deutschland. GrenzpendlerInnen leben somit im Ausland, beziehen aber Ihr Einkommen (oder den größten Teil Ihres Einkommens, mindestens 90%) in Deutschland.
Quelle: Von Tschubby - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
3. Wo muss ich Steuern zahlen?
Als GrenzgängerInnen mit Wohnort in Deutschland, die in Frankreich bei privaten Unternehmen arbeiten, zahlen Sie Ihre Steuern im Wohnsitzstaat. Es gilt also das Wohnsitzlandprinzip. Dies ist über das deutsch-französische Doppelbesteuerungsabkommen (Convention fiscale franco-allemande) geregelt.
Dies ist ein Unterschied zu anderen EU-Ländern, wo die Steuern in dem Land gezahlt werden, in dem der oder die Berufstätige arbeitet.
Der französische Staat verzichtet somit auf die Einkommenssteuer von GrenzgängerInnen, erhält im Gegenzug von deutscher Seite aber eine pauschale Entschädigung (1,5% der gesamten Bruttojahreseinkommen aller GrenzgängerInnen).
Als GrenzgängerIn mit Wohnort in Deutschland und ArbeitnehmerIn in Frankreich müssen Sie die Freistellung von der französischen Lohnsteuer beim Wohnsitzfinanzamt in Deutschland mit dem Vordruck 5011 beantragen. Bei Erhalt müssen Sie diese Freistellungsbescheinigung bei Ihrem französischen Arbeitgeber vorlegen.
Es gilt eine 45-Tage-Regel, um den GrenzgängerInnenstatus zu behalten: Im Allgemeinen kehren GrenzgängerInnen täglich an ihren Wohnort zurück. Doch es besteht die Möglichkeit auf maximal 45 sogenannte „Nichtrückkehrtage“ pro Jahr. Diese dürfen nicht überschritten werden. Ausgenommen davon sind Urlaubstage, gesetzliche Feiertage und Krankheitstage.
Achtung: GrenzgängerInnen im öffentlichen Dienst zahlen ihre Steuern in Frankreich, es sei denn sie besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit, ohne zusätzlich die französische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Dann zahlen auch sie die Steuern am Wohnort.
4. Wo bin ich krankenversichert?
Grundsätzlich sind GrenzgängerInnen im Beschäftigungsland krankenversichert. Wenn Sie also in Deutschland wohnen und in Frankreich arbeiten, haben Sie Ihre Krankenversicherung in Frankreich. Ihre Krankenversicherung läuft hier über die gesetzliche Krankenversicherung, Securité Sociale, die eine Grundversorgung ermöglicht. Dazu ist es notwendig, sich bei der französischen CPAM-Ortskrankenkasse anzumelden.
Zudem gibt es die Krankenzusatzversicherung, die Mutuelle, die von der Mehrheit der Französinnen und Franzosen genutzt wird. Für in Frankreich angestellte Personen sieht das System die betriebliche Krankenzusatzversicherung vor. Diese ist seit 2016 bei allen französischen Unternehmen obligatorisch. Auch gibt es die freiwillige private Krankenzusatzversicherung, die Mutuelle Individuelle.
GrenzgängerInnen mit Wohnsitz in Deutschland haben auch dort Zugang zur Krankenversorgung. Die europäische Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt dies über die EG-Verordnung 883/2004. Folgende Formalitäten sind notwendig: Die Krankenkasse in Frankreich muss Ihnen die Bescheinigung E 106 ausstellen, die an eine Krankenkasse an Ihren Wohnort geht. Mit diesem Formular werden GrenzgängerInnen mit Wohnsitz in Deutschland wie Berufstätige vor Ort behandelt. Die französische Krankenkasse erstattet die Kosten am Ende zurück.
5. Was muss ich bei der Rentenversicherung beachten?
Hier muss unterschieden werden zwischen Erwerbstätigen, die ihre gesamte Berufslaufbahn in Frankreich absolviert haben und Berufstätigen, die nur zeitweise in Frankreich gearbeitet haben.
Personen, die Ihr gesamtes Berufsleben in Frankreich verbracht haben, haben Anspruch auf die Altersrente (retraite) nach französischem Recht.
Personen, die in Frankreich und in Deutschland gearbeitet haben, erhalten eine Altersrente von beiden Ländern, unter der Bedingung, dass sie mindestens ein Jahr lang in jedem Staat Beiträge gezahlt haben. So berechnet und zahlt jedes Land den proportionalen Anteil der Altersrente.
In Frankreich gibt es zudem eine Zusatzrentenversicherung, die die Grundleistungen ergänzt.
In Frankreich liegt das Renteneintrittsalter bei 60 Jahren (wenn Arbeitnehmende bereits sehr früh angefangen haben zu arbeiten) bzw. 62 Jahren, in Deutschland bei 65-67 Jahren.
Die Rentenversicherung ist auch abhängig von der Berufsgruppe: privater Sektor, öffentlicher Dienst, freiberuflich TätigeR, Mitglied des Militärs, der Nationalversammlung oder der Staatlichen Oper.
Bei Info Retraite finden Sie weitere Informationen zum Rentensystem in Frankreich.
6. Wie steht es mit der Pflegeversicherung?
Aktuell gibt es in Frankreich keine gesetzliche Pflegeversicherung. Es besteht die Möglichkeit, eine private Pflegeversicherung (assurance dépendance complémentaire) abzuschließen.
Im Rahmen der französischen Kranken- und Sozialversicherung sind jedoch bereits Arbeitsunfälle sowie Berufskrankheiten abgedeckt. Arbeitsunfälle umfassen Unfälle beim Ausüben der beruflichen Tätigkeit sowie Unfälle auf dem Weg von und zu der Arbeit.
7. Welches Arbeitsrecht gilt für mich?
Wenn Sie in Deutschland Ihren Wohnsitz haben und in Frankreich arbeiten, gilt das französische Arbeitsrecht.
Im französischen Arbeitsrecht gibt es zwei Formen von Arbeitnehmern: leitende Angestellte (cadre) und nicht leitende Angestellte. Leitende Angestellte haben in Frankreich besondere Vorteile, vor allem in Bezug auf Altersversorgung und Arbeitszeit.
Es gibt befristete Arbeitsverträge (CDD) und unbefristete Arbeitsverträge (CDI). Das Quellen- und Dokumentationszentrum Frontaliers Grand Est informiert GrenzgängerInnen über das Arbeitsrecht in Frankreich und in Deutschland.
8. Welche gesetzliche Arbeitszeit gilt in Frankreich?
Die gesetzliche Arbeitszeit in Frankreich liegt bei 35 Stunden pro Woche. Es besteht die Möglichkeit auf Überstunden (nach Aufforderung bzw. Genehmigung des Arbeitgebers).
9. Habe ich Anspruch auf bezahlten Urlaub?
Der gesetzliche Mindesturlaub für in Frankreich Tätige liegt bei 30 Werktagen pro Jahr.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit auf zusätzlichen Urlaub z.B. unter folgenden Umständen: Eheschließung im Standesamt oder in der Kirche (4 Urlaubstage), Geburt oder Adoption eines Kindes (3 Urlaubstage), Hochzeit des Kindes (1 Urlaubstag), Tod der Ehepartnerin bzw. des Ehepartners (2 Urlaubstage).
10. Was muss ich tun, wenn ich arbeitslos werde?
Bei Vollarbeitslosigkeit gilt das Wohnortsprinzip. Wenn Sie also in Frankreich gearbeitet und Ihre Stelle verloren haben, haben Sie als GrenzgängerIn Anspruch auf Arbeitslosengeld in Deutschland. Bei Kündigung/Aufhebungsvertrag sollten Sie sich spätestens drei Tage, nachdem Sie darüber informiert wurden, bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend melden, bei einem zeitlich begrenzten Vertrag mindestens drei Monate vor Ende.
Bei Teilarbeitslosigkeit, chômage partiel, (z.B. bei längerer Arbeitsunterbrechung u.a. im Rahmen der Covid-Pandemie) besteht Anspruch auf Leistungen in Frankreich. Der Arbeitgeber meldet die Teilarbeitslosigkeit an.
11. Wie kann ich Familienleistungen in Anspruch nehmen?
In Frankreich Beschäftigte mit Wohnsitz in Deutschland haben Anspruch auf Familienleistungen (allocations familiales): Grundsätzlich bezieht man die Familienleistungen in dem Land, in dem man arbeitet. In Frankreich können Sie den Antrag bei der Caisse d’allocations familiales (CAF) stellen. Wenn in Frankreich die Leistungen geringer ausfallen als in Deutschland, besteht das Recht auf eine Ausgleichszulage von deutscher Seite.
Jedoch gibt es Familienleistungen, die nicht exportierbar sind, sprich Sie können diese als GrenzgängerIn nicht in Anspruch nehmen: z.B. Prämien zur Geburt oder Adoption eines Kindes, Wohngeld, Hilfeleistungen für erwachsene Behinderte, soziale Mindestsicherung.
12. Was sollte ich ansonsten noch beachten?
Der tägliche Fahrweg und die damit verbundenen Kosten
GrenzgängerInnen sollten den täglichen Weg für die Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnort und Arbeitsstelle bedenken. Dies ist vor allem mit zusätzlichen Kosten verbunden (Fahrtkosten, Benzinkosten, KfZ-Steuer usw.).
Tipp: Schauen Sie, ob es eine direkte Zugverbindung gibt oder ob Sie ggf. eine Fahrgemeinschaft gründen können. Dies ist auch umweltschonend.
Bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln übernimmt in Frankreich der Arbeitnehmer einen Teil der Kosten (frais de transport).
Wenn Sie den PkW benutzen, haben Sie die Möglichkeit, die gefahrenen Kilometer bei Ihrer nächsten Steuererklärung beim Finanzamt in Deutschland rechtlich geltend zu machen.
Gehalt im Nachbarland
Prüfen Sie vorab, wie das Gehalt im Nachbarland ausfällt. Für die gleiche Art einer Stelle kann in Frankreich das Gehalt sehr anders sein. Über Gehaltsübersichten und Gehaltsrechner können Sie mehr über den Lohn in Frankreich erfahren. Zudem gibt es Unterschiede bei der Frage nach Brutto und Netto. Hierzu gibt es Brutto-Netto-Rechner. Steuerrechner informieren Sie über die zu zahlende Einkommenssteuer.
Zahlreiche Formalitäten, die im Vorfeld geregelt werden müssen
Da es zahlreiche Formalitäten zu erledigen gibt, ist es ratsam, vorab eine gewisse Zeit einzuplanen, in der Sie Ihren GrenzgängerInnenstatus organisieren und sich tiefgreifend informieren. Im Grenzgänger-Forum und im Forum von frankreich-info.de können Sie sich mit Gleichgesinnten austauschen.
Tipp: Erstellen Sie sich eine Liste mit den verschiedenen Formalitäten, die zu erledigen sind und mit den Bescheinigungen und Formularen, die zu beantragen bzw. auszufüllen sind.
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